Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

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Mischpulte

Man könnte annehmen, dass heutige Recording Studios ohne ein großes Mischpult auskommen, wie wir es aus den kommerziellen und professionellen Studios kennen. Unzählige Home-Studios und mobile Recording Studios sind dafür der Beweis. Doch so ganz stimmt diese Annahme nicht. Auch wenn jene großen, schweren und energiefressenden Misch- und Verstärkerapparaturen namens Mischpult vielleicht nicht mehr in jeder Studioumgebung vorzufinden sind (selbst in einigen sehr erfolgreichen Produktionskontexten nicht), so kann kein Studio und kein*e Produzent*in auf die grundlegenden Funktionen des Mischpultes verzichten. Diese Funktionen im Recording Studio sind:

  • Signale wandeln und verstärken (Mikrofonsignale, Instrumentensignale, Effektsignale, etc.)
  • Signale bearbeiten
  • Signale für die Aufnahme aufbereiten
  • Signale in Gruppen und als Summen zusammenfassen (Subgruppen, Stereosumme, Surround-Summe, etc.)
  • Signale für die Abhörsituation bereitstellen (Lautsprecher, Kopfhörer)
  • Signale zum externen Bearbeiten schicken (Effekte, etc.)
  • Kommunikation mit anderen Personen herstellen (Talkback, Monitoring, etc.)

Mithilfe des Computers und diverser virtueller Studio-Software in Form einer DAW (engl. „Digital Audio Workstation“) sind diese Funktionen auf kleinstem Raum realisierbar. Die DAW ersetzt das Mischpult zwar nicht (noch heute verwendet eine Vielzahl von Studios analoge Mischtechnik), bietet aber einen vergleichbaren Funktionsumfang. Auch erinnert die Architektur einer DAW an das Mischpult. Kanalzüge, Master, Subgruppen, Aux-Wege, Panorama-Regler, Mute- und Solo-Schalter, Inserts, Fader, Monitoring und diverse Signal-Routing-Optionen finden sich in Anlehnung an das Arbeiten mit Mischpulten auch auf der Arbeitsoberfläche einer DAW wieder.

Im Folgenden soll ein Überblick über den Aufbau und die Grundlagen von Mischpulten gegeben werden. Dafür lohnt sich die Aufteilung eines Mischpultes in zwei Bereiche: die Mastersektion und die Kanalzüge. Im Folgenden soll eine kurze Geschichte des Mischpults bis 1958 einen historischen Überblick über die zum Teil bis heute geltenden Standards in der Mischpultkonzeption verschaffen.

Eine kurze Geschichte des Mischpults bis 1958


Bevor sich das Mischpult als zentrales Objekt der Verschaltung, Summierung und Ausbalancierung einzelner Audiosignale in Aufnahmestudios und Studios zur Live-Übertragung (Rundfunk wie TV) hat durchsetzen können, bevor es also Mischpulte im heutigen Sinne überhaupt gab, musste die klangliche Balance zwischen den einzelnen Instrumenten und Mikrofonen während der Produktion durch geschickte Positionierung des Mikrofons und der Instrumentengruppen erreicht werden. Solisten mussten also näher an das Mikrofon, begleitende Ensembles saßen entsprechend entfernt. Auch wenn in den 1920er-Jahren noch nicht wirklich „gemischt“ wurde, so konnte immerhin zwischen einzelnen Mikrofonen hin- und hergeschaltet werden. Eine der ersten Beschallungsanlagen von Western Electric, die „Western Electric PA“ von 1923 verfügte bereits über entsprechende Schaltapparaturen. Auch während des Sendebetriebs von „KDKA“ in Pittsburgh, einer der ersten kommerziellen Radiosender der Welt, kamen frühe Schaltapparaturen wie der „Studio Control Desk“ zum Einsatz.

Darüber hinaus tauchten in den 1920ern neben den erwähnten Schaltapparaturen auch die ersten Mischapparaturen auf. Bei Rundfunkübertragungen der „Radio Corporation of America“ (RCA) aus der Aeolian Concert Hall in New York City wurde eine Vielzahl von Mikrofonen aufgestellt. Diese wurden an einen umschalt- und tragbaren Verstärker angeschlossen. Der zuständige Techniker konnte nun den Pegel von zwei Mikrofonen am Verstärker einstellen und so die Signale miteinander mischen. Auch wenn nun erste Mischapparaturen zum Einsatz kommen, geht dem finalen Mischvorgang weiterhin die sorgfältige Positionierung und das Umschalten von Mikrofonen voraus. Dennoch konnten mit dem tragbaren Mischer der RCA die ersten Mischungen und Summierungen von einzelnen Audiosignalen vorgenommen werden. Parallel wurden auch in Deutschland am Sender Königs Wusterhausen Versuchsendungen mit Mischapparaturen durchgeführt. Die ersten kommerziellen Radiosendungen wurden dann aus dem Vox-Haus in Berlin ausgestrahlt, bei denen ab 1924/1925 auch vierkanalige Mischverstärker wie der „Reportage-Mischkoffer W14“ eingesetzt wurden.

Da der Markt für Studiotechnik in den 1930er- und 1940er-Jahren relativ klein war, wurde das notwendige Studioequipment wie Mixer oftmals von den Rundfunkanstalten selbst entwickelt und produziert. Einzig RCA stellte Mischapparaturen in kleinen Serien her. Einsatz fanden die Geräte weiterhin in Rundfunkstudios und zunehmend auch bei Filmproduktionen. Auch in Deutschland nahm die Entwicklung von weiteren Misch- und Verstärkerapparaturen ihren Lauf. Erwähnenswert ist hier der von der C. Lorenz AG hergestellte mobile Übertragungsapparat „V35“, der unter anderem auch bei der Rundfunkübertragung der Olympischen Spiele 1936 eingesetzt wurde. Das Gerät war neben der vierkanaligen Verstärker- und Mischerschaltung mit einem Abhörverstärker, einem Tongenerator und einer Pegelkontrolleinheit versehen.
In den 1940er-Jahren machten vor allem Mischpulte von Western Electric durch ihr Design auf sich aufmerksam. Die als Tisch, als Mixing Desk konstruierte „Western Electric 25A Speech Input Console“ (1942) kam zunehmend auch in Musiktonstudios zum Einsatz. Das damalige Klangkonzept von Musikproduktionen zeichnete sich vor allem durch eine realitätsnahe Repräsentation von Konzertsituationen aus. Um dies zu realisieren waren wenige Mikrofone ausreichend, womit die „einfachen“ Mischpulte der Rundfunkanstalten auch für Musikproduktionen ausreichten. Doch mit der fortschreitenden technischen Entwicklung und den Umbrüchen in der Popmusikkultur der Nachkriegsjahre wurden auch die Anforderungen an Mischpulte zunehmend komplexer und größer. Über das bloße Summieren und Veredeln von Eingangssignalen hinaus standen nun auch weiterführende Klangbearbeitungen, eine höhere Anzahl an Eingangskanälen und der Zugriff auf den Signalweg, also eigenständige Signalführungen auf der Liste der Anforderungen.

Mit Bill Putnam, dem Gründer von Universal Audio (1958), setzte die technische Entwicklung von Mischpulten einen weiteren Sprung an. Putnam entwickelte für seine eigenen Studios der „Universal Recording Corporation“ modulare Mischpulte, die sich durch eigenständige Kanalzüge mit eigenem Mikrofonverstärker, Eingangsdämpfung, Höhen- und Tiefenfilter und je einem Ausspielweg auszeichneten. Es gab anfangs zwar noch keinen Panorama-Regler für eine kontinuierliche Links-Rechts-Verteilung des Signals im stereofonen Raum, dafür konnte das Signal direkt auf die einzelnen Lautsprecher geroutet werden. Aufgrund dieser Bauart hat der Kanalzug, wie wir ihn auch heute noch von Mischpulten kennen, bei Putnam seinen Ursprung. Auch geht die noch heute gängige Struktur zum Signalfluss und der Bedienung des Pultes auf die Pulte der „Universal Recording Corporation“ zurück (Das eingehende Signal verläuft hierbei von oben nach unten und von links nach rechts.)
Auch wenn mit dem Mehrkanalton schon in den 1940er-Jahren im Bereich des Films experimentiert wurde, dauerte es bis in die 50er-Jahre, dass auch der Musikmarkt die Vorzüge der neuen Technik erkannte. Mit dem Mischpult „REDD.1“ legte die gleichnamige Abteilung „Record Engineering Development Department“ (REDD) der Londoner „EMI Abbey Road Studios“ 1955 eine Verstärker- und Mischapparatur vor, mit der sich erste Stereo-Produktionen realisieren ließen. In Zusammenarbeit mit dem deutschen Nachrichtentechniker Peter K. Burkowitz entwickelte das REDD dann ein neues Stereomischpult für die Abbey Road Studios. Burkowitz machte durch die Konstruktion eines zerlegbaren, transportablen Mehrkanalmischpultes auf sich aufmerksam, dessen Konzept auch für das neue Pult der Abbey Road Studios umgesetzt werden sollte. Das in Kooperation entstandene Mischpult „REDD.17“ wurde 1958 präsentiert und verfügte über acht Eingangskanäle, Filtereinheiten, Ausspielwege für Nachhall, Schieberegler (die Vorform der heute üblichen Fader) und die gewünschte Stereosumme.

Mit den Mischpulten von Universal Audio und REDD ist die Entwicklung keineswegs an ihr Ende gekommen, bis heute werden Pulte optimiert, den aktuellen Standards und Anforderungen angepasst. Doch wurden in den 1950er-Jahren die Grundsteine dafür gelegt, was bis heute zu den Grundfunktionen eines Mischpultes gehört: Verstärken, Verschalten, Filtern und Summieren.

Smyrek, Volker. Die Geschichte des Tonmischpults. Die technische Entwicklung der Mischpulte und der Wandel der medialen Produktionsverfahren im Tonstudio von den 1920er-Jahren bis heute. Berlin: Logos 2013.

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