Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

Wavetable-Synthese

Neben der FM-Synthese ist die Wavetable-Synthese eine der wichtigsten digitalen Klangsyntheseformen. Sie wird vor allem auf die Arbeiten von Wolfgang Palm zurückgeführt, dem Gründer von PPG und später auch Entwickler bei Waldorf Music. Den ersten großen Erfolg feierte die Wavetable-Synthese mit dem „PPG Wave 2“ aus dem Jahre 1981. Bereits im selben Jahr veröffentlichen Tangerine Dream das Album „Exit“ (Virgin 1981), auf dem eine Vielzahl an Wavetable-Sounds zu hören sind, u.a. auf dem gleichnamigen Song "Exit". Auch gehören Depeche Mode zu denjenigen, die sich früh mit der neuen digitalen technologie vertraut gemacht haben. Gut zu hören ist der "PPG Wave 2.3" in "My Secret Garden" (Sire 1982). Die Idee hinter den Wavetables ist auf den ersten Blick recht simpel. Eine Wavetable setzt sich aus einer Vielzahl von Wellenformen zusammen, die aus einem Sample gewonnen werden (s. Abb.). Das längere Audiosample wird also in einzelne Wellenformen zerlegt und in einer „Tabelle“ geordnet. Damit lässt sich mit nur einem Oszillator, denn als solcher fungiert die Wavetable, gegenüber herkömmlichen Syntheseformen wie der subtraktiven Klangsynthese aus einer weit größeren Auswahl an Wellenformen wählen, wodurch sich eine erheblich breitere Palette an möglichen Klängen ergibt. Zudem handelt es sich in den meisten Fällen um derart komplexe Wellenformen, die mithilfe von analogen Synthesizern nur schwer erzeugt werden können.

Ein Wavetable-Synthesizer verlangt nach Modulationen. Denn erst wenn die sogenannte Position innerhalb des Wavetables moduliert wird, ergeben sich spannende klangliche Resultate. Durch diese Art des Scanvorgangs wird zwischen den unterschiedlichen Wellenformen innerhalb einer Wavetable interpoliert. So lassen sich fließende Übergänge zwischen grundverschiedenen Wellenformen erzeugen (in den Audiobeispielen lässt sich dieser Scanvorgang zwischen den einzelnen Wellenformen gut hören). Mithilfe von Modulationsquellen wie einer Hüllkurve oder dem LFO lässt sich dieser Scanvorgang letztlich steuern. Der Signalfluss bei der Wavetable-Synthese ist i. d. R. der anderer Syntheseformen ähnlich. Der Klang wird durch die Wavetable erzeugt, dann gefiltert und durch Hüllkurven, LFOs oder andere Modulationsquellen moduliert (s. Abb.).

Nachdem die Wavetable-Synthese mit dem „PPG Wave 2“ in den 1980er-Jahren bei Künstler*innen wie u.a. David Bowie, Depeche Mode, Tangerine Dream und Rush beliebt war, geriet sie in den 1990er- und 2000er-Jahre fast in Vergessenheit. Doch spätestens seit Native Instruments ihren Wavetable-Software-Synthesizer „Massive“ im Jahr 2006 auf den Markt gebracht hat, erfährt die Wavetable-Synthese einen erheblichen Aufschwung und ist mittlerweile überall in der Popmusikkultur zu hören. Denn mit dieser Syntheseform lassen sich problemlos die Sounds analoger Synthesizer rekonstruieren, aber auch experimentelle Klänge vielseitig und anwenderfreundlich realisieren. In den Musikproduktionsumgebungen, ob im Amateur- oder Profi-bereich, sind die Software-Wavetable-Synthesizer „Pigments“ von Arturia, „Wavetable“ von Ableton Live 11, „Serum“ von Xfer und „Vital“ von Vital Audio äußerst populär. Darüber hinaus gibt es auch wieder einen Markt für Hardware-Synthesizer, die sich der Wavetable-Synthese bedienen. Hier sind vor allem die Instrumente „Iridium“ von Waldorf Music, der „Nanobox Fireball“ von 1010music und der „ASM Hydrasynth“ von Ashun Sound Machines zu nennen.

Wavetable
© Max Alt
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Wavetable Sweep - Standard-Wellenformen
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Wavetable-Sweep - komplexere Wellenformen

  • Ruschkowski, André. Elektronische Klänge und musikalische Entdeckungen. Ditzingen: Reclam 1998.

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