Hüllkurvengenerator
Um sich die Arbeitsweise, Funktion und das Einsatzgebiets von Hüllkurvengeneratoren (engl. envelope generator) vorzustellen, hilft es sich das Spiel auf mechanischen Instrumenten vorzustellen. Wenn wir beispielsweise eine Gitarrensaite durch das Plektrum zum Schwingen bringen, so können wir ein Anschlaggeräusch und ein Ausklingen der Saite vernehmen. Die Lautstärke und das Obertonspektrum verändert sich über die Zeit, was dem Instrument seinen charakteristischen Klang verleiht. Demgegenüber können wir bei Orgeln feststellen, dass mit dem Betätigen der Taste, ein Orgelklang ertönt, welcher sich relativ konstant hält bis mit dem Loslassen der Taste der Klang abrupt endet. Als letztes Beispiel können wir uns auch das zarte Anstreichen eines Cellos vorstellen. Der Klang schwellt an und mit zunehmendem Druck des Bogens auf die Saite gewinnt er deutlich an Lautstärke und Dynamik.
Wann genau Hüllkurvengeneratoren ihren Weg in die Instrumententechnik fanden, geht aus der Geschichte der elektronischen Klangerzeugung nicht deutlich hervor. Spätestens mit der „Lichttonorgel“ (1936) von Edwin Welte wird die Wichtigkeit von Hüllkurven jedoch erkannt. Nach einer Pressevorführung der „Lichttonorgel“ in der Berliner Philharmonie im September 1936 wurden kritische Stimmen laut. Das Magazin „Die Musik“ schreibt: „Wir fordern von dem neuen Instrument nicht die Kopie alter Klänge, wir fordern von ihm, was es allein zu geben im Stande ist, nämlich die ihm eigene, noch ungehörte synthetische Klangwelt.“ Konstruktionsbedingt besitzt die „Lichttonorgel“ keinen Einschwing- oder Ausschwingvorgang. Jeder Ton beginnt und endet abrupt. Das sorgt für wenig Expressivität und klangliche Vielfalt. Wie bereits beschrieben sind Ein- und Ausschwingvorgänge jedoch entscheidend für die charakteristischen Merkmale von Instrumenten und Klängen. Nach dieser Kritik setzte sich Oskar Vierling, der an der „Lichttonorgel“ von Welte mit beteiligt war, intensiver mit Schaltungen auseinander, mit deren Hilfe sich zeitliche Verläufe wie Ein- und Ausschwingphasen bearbeiten lassen.
Der Hüllkurvengenerator erzeugt Zeitabläufe, die bis in den Millisekundenbereich feinjustiert werden können. Wie wir an den Beispielen festgestellt haben, sind Zeitabläufe in Bezug zur Dynamik oder dem Obertonspektrum entscheidend für die Spezifik eines Klangs. In Synthesizern sind mindestens ein, meistens jedoch zwei oder seltener mehrere Hüllkurvengeneratoren verbaut. Eine Hauptaufgabe des Hüllkurvengenerators ist die Steuerung der Lautstärke, wodurch die Ein- und Ausschwingvorgänge des Klanges bestimmt werden können. I. d. R. lassen sich mithilfe von Hüllkurvengeneratoren vier Parameter programmieren (ADSR). Diese werden am Beispiel des Lautstärkeverlaufs erläutert.
- Attack meint die Anschwellzeit. Gemeint ist damit jene Zeit, die nach dem Drücken der Taste vergehen muss, bis der Klang seine volle Lautstärke erreicht hat.
- Decay meint die Abklingzeit, welche sich direkt an die Attack-Zeit anschließt. Die Decay-Zeit beschreibt damit die Zeit, die vergehen muss, bis der Klang einen festgelegten Lautstärkewert erreicht hat
- Sustain meint eben diesen programmierten Spannungswert. Mit Sustain wird keine Zeitspanne definiert, sondern ein Zielwert der Lautstärke, bspw. -6dB. Dieser Wert wird solange gehalten wie auch die Taste gedrückt ist.
- Release hingegen beschreibt die Zeit, die der Klang benötigt, um vollständig zu verklingen. Die Release-Zeit beginnt mit Loslassen der Taste.
Die ADSR-Hüllkurve ist ein gängiger Standard, auch die feste Verschaltung einer Hüllkurve zur Lautstärkesteuerung entspricht i. d. R. dem Standard. Darauf ist der Hüllkurvengenerator jedoch nicht zu reduzieren. Im Kern ist er eine vielseitige Modulationsquelle, die nicht nur zur bloßen Dynamikverlaufsregelung eingesetzt werden kann. Auch Filtereinstellungen, Tonhöhen, LFO-Zeiten, Wellenformen u. v. m. lassen sich mit Hüllkurven modulieren. So erzeugt die Modulation des Filters mithilfe der Hüllkurve ein sich Öffnen und Schließen des Filters nach dem durch die Hüllkurve festgelegten Zeitverlauf. Wichtig zu erwähnen ist auch, dass jede Hüllkurve durch ein Trigger-Signal gestartet werden muss. Hierfür dient bei Synthesizern mit Klaviatur der Tastendruck. Das Betätigen einer Taste der Klaviatur dient dem Hüllkurvengenerator als Start-Impuls zur Erzeugung der vorprogrammierten Hüllkurve.