FM-Synthese
Die Klangsynthese durch Frequenzmodulation (FM) ermöglicht mithilfe von nur wenigen Oszillatoren komplexe Klangspektren mit diversen Teiltönen und spezifischem Charakter zu erzeugen. Im Kern beruht die FM-Synthese auf folgendem Prinzip: Eine Trägerschwingung (auch "carrier" genannt) wird von einer Modulationsschwingung (auch "modulator" genannt) beeinflusst. Aus den hierbei entstehenden Summen- und Differenzschwingungen entspringen neue Signale, sogenannte Seitenbänder (Klangbeispiel 1, s.u.). Entscheidend hierbei ist, dass die Modulationsfrequenz im Hörbereich, zwischen ca. 20 Hz–20kHz, liegen sollte, damit eben jene Seitenbänder im ebenfalls hörbaren Bereich entstehen.
Die Klangsynthese durch Frequenzmodulation greift auf bestehendes Wissen aus der Elektrotechnik zurück, das bei der Rundfunkübertragung schon seit den 1920er-Jahren erfolgreich zur Anwendung gekommen ist. Zur Musikalisierung der Frequenzmodulation beigetragen hat John M. Chowning in den 1960er-Jahren. Während in der Rundfunktechnik das Trägersignal im für den Menschen nicht hörbaren Hochfrequenzbereich liegt, experimentierte Chowning mit diversen Träger- und Modulator-Verhältnissen und Modulationsintensitäten im hörbaren Bereich. Durch das Verlagern der Trägerfrequenz in den Niederfrequenzbereich rücken auch die bei der Frequenzmodulation entstehenden Seitenbänder verstärkt in den Fokus und können für die Klanggestaltung nutzbringend eingesetzt werden. Bei der Modulation einer sinusförmigen Trägerfrequenz durch eine ebenfalls sinusförmige Modulationsfrequenz entstehen diverse Zusatzfrequenz ober- und unterhalb der Grundfrequenz des Trägers (siehe Abbildung 2). Je nach Verhältnis der Modulations- und Trägerfrequenz entscheidet sich, welche Frequenz und Amplitude die Seitenbänder haben, was dazu führt, das harmonische wie unharmonische Ober- oder Untertöne entstehen können. Fügt man nun Hüllkurven und weitere Modulationsquellen hinzu, die verschiedene Parameter steuern, ergeben sich komplexe Klangverläufe aus lediglich zwei Oszillatoren. Die FM-Synthese macht hier jedoch nicht Halt. In vielen Fällen agieren nicht nur zwei, sondern mehrere Modulations- und Trägeroszillatoren, die in ihren Funktionen variabel sind. So können Trägerfrequenzen parallel auch als Modulatoren eingesetzt werden und vice versa. Hieraus ergeben sich schnell komplizierte Schaltungen aus Träger- und Modulationsoszillatoren (siehe Abbildung 1).
In den 1980er-Jahren erlebt die FM-Synthese einen regelrechten Boom, was vor allem auf den "Yamaha DX 7" Synthesizer zurückzuführen ist. Nachdem Chowning die FM-Synthese an der Stanford University patentieren ließ, interessierte sich Anfang der 1970er-Jahre vor allem die Firma Yamaha für das Klangerzeugungsprinzip. Es dauerte jedoch noch ca. zehn weitere Jahre bis 1983 der "Yamaha DX7" und "DX 9" serienreif auf den Markt kamen, ersterer mit großem Erfolg. Der "Yamaha DX 7" gilt als einer der meistverkauften digitalen Synthesizer überhaupt. Wie wichtig der "DX7" für den Sound der 1980er-Jahre ist, wird an einer 156 Songs umfassenden Spotify Playlist mit dem Namen "80s Yamaha DX7 Songs" deutlich. Darunter zählen Hits wie "Take On Me" (Warner 1985) von a-ha, "Careless Whisper" (Epic Records 1984) von George Michael oder "Voyage Voyage" (CBS 1989) von Desireless. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Synthesizers sind die internen Presets, also vorgefertigte und auf Abruf vorprogrammierte Klänge. Denn, wie oben geschildert, kann die Programmierung des Synthesizers mit den zum Teil hochkomplexen Verschaltungen von Träger- und Modulationsoszillatoren äußert mühsam und kompliziert werden. Der direkte und individuelle Zugang zu den wichtigen klanggestalterischen Parametern ist bei FM-Synthesizern deutlich erschwert, was dazu führt, dass in der Regel auf die vorgefertigten Klänge zurückgegriffen und nur Feinheiten justiert werden. Gerade hier, bei der Qualität der Presets, konnte der "Yamaha DX 7" überzeugen, was zum großen Erfolg des Synthesizers und mit ihm der FM-Synthese in den 1980er-Jahren geführt hat. Das zweite Sound-Beispiel ist vom E-Piano-Sound des "DX7" inspiriert.
- “What’s Love Got to do with it“ – Tina Turner (Capitol Records 1984)
- “Smooth Operator” – Sade (Epic 1984)“Axel F” – Harold Faltermeyer (MCA Records 1984)
- “Careless Whisper” – George Michael (Columbia Records 1984)
- “You Spin Me Round (Like A Record)” – Dead or Alive (Epic Records 1985)
- “Greatest Love Of All” – Whitney Houston (Arista Records 1985)
- “Take on Me“ – a–ha (Warner Bros. Records 1985)
- “Danger Zone” – Kenny Loggins (Columbia Records 1986)
- “Venus” – Bananarama (London Records 1986)
- “Take My Breath Away” – Berlin (Geffen Records 1986)
- “Who Wants To Live Forever” – Queen (EMI/Parlophone 1986)
- “Versace on the Floor” – Bruno Mars (Atlantic Records 2016)
- Donhauser, Peter. Elektrische Klangmaschinen. Die Pionierzeit in Deutschland und Österreich. Wien: Böhlau 2007.
- Glinsky, Albert. Theremin. Ether Music and Espionage. Chicago: University of Illinois Press 2005.
- Jackson, Myles W. Harmonious triads: physicists, musicians, and instrument makers in ninteenth-century Germany. Cambridge (MA): MIT Press 2008.
- Patteson, Thomas. Instruments for New Music. Sound, Technology, and Modernism. Oakland: University of California Press 2016.
- Pinch, Trevor J. und Frank Trocco. Analog Days. The Invention and Impact of the Moog Synthesizer. Cambridge (MA): Harvard University Press 2004.
- Ruschkowski, André. Elektronische Klänge und musikalische Entdeckungen. Ditzingen: Reclam 1998.