Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

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Klangsynthese

 
Das „Real-Lexikon der Musikinstrumente“ (1913) von Curt Sachs erzählt eine Anekdote. Der tschechische Pater Prokopius Diviš, der vor allem durch die Erfindung eines der ersten blitzableitenden Systeme auf sich aufmerksam gemacht hat, soll 1730 ein Instrument, das „Denis d’or“ entwickelt haben, welches sich aus elektrischen Kraftwirkungen gespeist haben soll. So wenig diese anekdotisch gebliebene Episode der elektronischen Klangerzeugung auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden kann, so mehr verdeutlicht sie jedoch, dass bereits mit den ersten wissenschaftlichen Bestrebungen in Bezug auf die Erforschung der Elektrizität in der frühen Neuzeit das Interesse an elektrisch erzeugten musikalischen Klängen durchaus vorhanden war.

Bis in die späten 1920er- und frühen 1930er-Jahre sollten elektronische Klangerzeuger jedoch in erster Linie wissenschaftliche Messinstrumente oder Kuriositäten bleiben. Für die Gruppe der erst genannten steht u.a. der von Hermann von Helmholtz erdachte und umgesetzte „Vokal-Synthesizer“ (1858) zur Erforschung von Vokalklängen, Obertonverhalten und psychoakustischen Phänomenen. Demgegenüber finden sich in der Geschichte der elektronischen Klangerzeugung aber auch eben jene Kuriositäten wie das megaloman anmutende „Telharmonium“ (auch „Dynamophon“) von Thaddeus Cahill aus dem Jahr 1899/1900. Diese 200 Tonnen schwere Orgelmaschine musste in einem eigens dafür vorgesehenen Haus untergebracht werden. Erschwerend kam hinzu, dass elektronische Verstärker noch nicht erfunden waren, was dazu führte, dass das Instrument über die lokalen Telefonnetze übertragen werden musste. Auch wenn das von Cahill angewandte Prinzip des Zahnradgenerators ca. 30 Jahre später Laurens Hammond maßgeblich zu seiner ikonisch gewordenen Hammond-Orgel inspirierte, so musste das größenwahnsinnige Projekt an seinen Dimensionen scheitern.

Zwischen den 1920er- und 1940er-Jahren tauchen dann vermehrt Instrumente auf, deren Klangerzeugung elektronisch realisiert wurde. Hier sind vor allem das „Theremin“ (1920/1921) von Lev Termen, Jörg Magers „Sphärophon“ (1924), die „Ondes Martenot“ (1928) von Maurice Martenot und das „Trautonium“ (1930) von Friedrich Trautwein zu nennen. All diese Instrumente bedienten sich unterschiedlicher Verfahren zur elektronischen Erzeugung musikalischer oder außermusikalischer Klänge. Erst Mitte der 1960er-Jahre setzt die Firma Moog mit ihrem modular konzipierten „Moog Modular Synthesizer“ (1967) einen bis heute geltenden Standard durch: die subtraktive Klangsynthese. Waren die europäischen elektronischen Instrumente wie das Trautonium eher für Kunstkontexte konzipiert, die an bestehende musikalische Traditionen anknüpfen sollten, so richten sich die Moog Instrumente schon früh an Musiktreibende aus den Bereichen des Jazz, experimenteller Musik sowie an die US-amerikanische Popkultur und an den Heimgebrauch. Moog ist es damit gelungen eine breite Zielgruppe zu adressieren und einen Markt für Synthesizer zu schaffen. Durch den Einzug digitaler Technologien in den 1980er-Jahre entwickelten sich weitere Formen der Klangsynthese, die heute als Standard gelten und auf den folgenden Seiten weiter ausgeführt werden.
 

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