Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

Convolution Reverb

Der Faltungshall, engl. convolution reverb, ist ein digitaler Halleffekt, der anhand von sogenannten Impulsantworten den charakteristischen Hall eines realen oder virtuellen Rums simuliert. Impulsantworten lassen sich am besten als der digitalisierte Fingerabdruck des Raumklangs verstehen. Für die Erzeugung von Impulsantworten wird der Raum durch einen Knallimpuls (bspw. weißes Rauschen) oder einen Sinussweep (eine Sinuswelle, die stufenlos von der tiefsten zur höchsten Frequenz gleitet) angeregt. Baugleiche Mikrofone nehmen das Signal im Raum auf und können dann durch entsprechende Software in Impulsantworten konvertiert werden. Die Impulsantwort des realen oder virtuellen Raumes liegt nun als eine Art Sample vor und kann in einem Convolution Reverb PlugIn geladen werden. Das Ergebnis ist eine algorithmische Simulation des auditiven Raums.

Gemeinsam mit der Impulsantwort wird im Faltungshall Plug-In oder dem Hardwaregerät das zu verhallende Signal mit Hilfe der Fast-Fourier-Transformation (FFT) im Frequenzraum dargestellt. Konkret heißt das, dass jedem Zeitpunkt des Eingangssignals eine Frequenz, Amplitude und Phase zugeordnet werden kann. Gleiches gilt für die Impulsantwort. Um aus diesen Daten einen Hall zu erzeugen, muss jedes Audiosample (d.h. bei 44,1 kHz, 44100 mal pro Sekunde) des Eingangssignals mit den entsprechenden Zeitpunkten und Daten der Impulsantwort berechnet werden. Für eine Minute Stereomaterial mit 44,1 kHz ergeben sich über eine Billion einzelner Rechenvorgänge. Selbst für schnelle Prozessoren ist hierbei eine hohe Rechenleistung gefragt, weswegen es beim Einsatz von Faltungshall zum Teil zu Latenzen oder Überlastungen kommen kann. Dennoch sind Convolution Reverbs aufgrund ihrer hochwertigen und realitätsnahenSimulation von Raumklang beliebt und weit verbreitet.

Durch Impulsantworten und Convolution Reverb ist es zudem möglich geworden ikonische Echokammern und Räume in die DAW zu holen. Bevor es künstliche Effekte zur Erzeugung von Hall in den Studios gab, mussten die Produzent*innen auf realen Raumklang zurückgreifen. Erfolgreiche und große Recording Studios wie die Abbey Road Studios (London) oder die Capitol Studios (Los Angeles) verfügen noch heute über ihre historischen und ikonischen Echokammern, die eigens für die Produktion von Hall gebaut wurden. Das Prinzip ist relativ einfach: Das zu verhallende Signal wird auf einen Lautsprecher gegeben, der sich in der Echokammer befindet. Die Echokammer wird durch das Signal angeregt und ein für den Raum spezifischer Hall entsteht. Das verräumlichte Signal wird von einem oder mehreren Mikrofonen aufgenommen, zurück in den Abhörraum geschickt und kann dort der Produktion beigemischt werden. Besagte Studios wie das Abbey Road sind für ihre wohlklingenden Echokammern bekannt geworden. Durch den einfachen Aufbau zur Produktion von Hall durch Echokammern sind Experimente mit anderen Räumen problemlos möglich. "Peg o‘ My Heart" (Vitacoustic Records 1947) von den Harmonicats, produziert von Bill Putnam, gilt als die erste Produktion, auf der künstlicher Hall zu hören ist. Putnam hat für die Aufnahme des Mundharmonika-Trios das Badezimmer für die Erzeugung des Halls zweckentfremdet. Die Aufnahme markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte produzierter Musik. Der Hall einer Produktion ist nicht mehr an den Aufnahmeraum geknüpft. Hall emanzipiert sich zu einem eigenständigen Effekt und kompositorischen Mittel.

Der Klang dieser ikonischen Räume wie den Abbey Road Studios ist in Form von Impulsantworten digital in den Convolution Reverbs archiviert und abrufbar. Daneben finden sich auch Impulsantworten von alltäglichen und außergewöhnlichen Räumen in den Katalogen der Faltungshall PlugIns, angefangen von Wohnzimmern, über Sporthallen, Konzerthallen, Kathedralen, zu Bunkern und Flugzeugkabinen.

Hallkammer
© Max Alt
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Short Drum Room

  • Hodgson, Jay. Understanding Records. A Field Guide to Recording Practice. New York: Continuum 2019.
  • Ly, Edward und Julían Villegas. „Genetic Reverb: Synthesizing Artificial Reverberant Fields via Genetic Algorithms“. In Juan Romero (Hrsg.), Artificial Intelligence in Music, Sound, Art and Design, Cham: Springer 2023, S. 90–103.

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