Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

Gated Reverb

Die Zweckentfremdung von Studioequipment ist ein wichtiges Moment in der Geschichte der produzierten Musik. Bekannte Effekte und Kultsounds, die durch eine Zweckentfremdung historische Tragweite erreicht haben, sind u.a. Sidechain Compression, der Auto-Tune Effekt und übersteuerte Gitarrenverstärker. Zuweilen kam es zu sogenannten "happy accidents", gemeint sind glückliche Zufälle. Gated Reverb ist einer dieser "happy accidents", der auf der Zweckentfremdung eines Talkbackmikrofons im Mischpult beruht. Das Ergebnis ein kombinierter Effekt aus Hall und einem Gate.

Im Verlauf der 1970er-Jahre etablierten sich zunehmend mehrspurige Mischpulte mit Talkback Funktion. Unter Talkback versteht man in der Regel ein in das Mischpult integriertes Mikrofon (oder die Möglichkeit ein externes Mikrofon an das Mischpult anzuschließen), das zur Kommunikation zwischen Abhör- und Aufnahmeraum dient. Parallel zu den sich verbreitenden Multitrack Mixing Desks entwickelte sich die Separierung und Isolierung der einzelnen Instrumente des Schlagzeugs zum Studio-Standard. Mithilfe der Nahmikrofonierung, close micing, und die Belegung der einzelnen Signale auf dezidierte Spuren des mehrspurigen Mischpults wurde die Bearbeitung und das Mischen von separierten und voneinander isolierten Drumspuren erst möglich. Dies bildet die Grundlage für den Zufall, der zum Gated Reverb geführt hat.

Der Gated Reverb geht mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Zusammenarbeit zwischen Phil Collins und dem Produzenten Hugh Padgham zurück. Der Anekdote zufolge war der Talkback Kanal des Mischpultes mit einem Gate und Kompressor versehen, damit der Kanal stets offen und Padgham stets verständlich ist. Beim Recording der Drums stellten Collins und Padgham fest, dass das über das Talkback geroutete Schlagzeugsignal voluminöser, voller und kraftvoller klingt als der eigentliche Drumsound. Das Gate auf dem Talkback Kanal hat dafür gesorgt, dass auf der Aufnahme der Raum zu hören ist, aber sobald er verklingt, also eine einstellbare Lautstärkeschwelle (Threshold) unterschreitet, das Signal komplett verstimmen lässt. Der Effekt ist letztlich als Gated Reverb bekannt geworden und hat erheblichen Einfluss auf den Sound der Musik der 1980er-Jahre ausgeübt. Noch heute ist der Effekt so eng mit dem Sound der 80er verbunden, dass auch heutige Bands ihn verwenden, um musikalische und klangliche Assoziationen zu dieser Zeit zu erzeugen.

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Gated Reverb

  • Hodgson, Jay. Understanding Records. A Field Guide to Recording Practice. New York: Continuum 2019.

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