Tape Delay
Im Kern beruht das Tape Delay auf der Laufzeitdifferenz des Tonbandes zwischen dem Aufnahme- und Wiedergabekopf einer Bandmaschine (s. Abbildung). Das Signal, welches an der Bandmaschine anliegt, wird vom Wiedergabekopf zurückgeführt zum Aufnahmekopf (feed back). Das klangliche Resultat dieses Aufbaus ist eine echoähnliche Wiederholung des Eingangssignals. Der zeitliche Versatz lässt sich über die Länge, die Geschwindigkeit und den zurückgelegten Weg des Tonbandes regulieren. Bei jeder Wiederholung erfährt das Signal eine Frequenzfilterung und Saturierung, die in der Regel als angenehm und warm empfunden wird. Der eigentliche Signalverlust ist so gesehen ein positiver Nebeneffekt.
Die Verwendung der Bandmaschine zur Erzeugung des Echo Effekts wird auf eine Version des Jazzstandards "How High The Moon" (Capitol Records 1951) von Les Paul und seiner Ehefrau Mary Ford zurückgeführt. Das hörbare Echo auf der Stimme und den Gitarren wurde technisch mit einer Bandmaschine, wahrscheinlich der "Ampex 300", realisiert. Nachdem Les Paul bereits in den 1940er-Jahren mit Overdubbing auf Wachsplatten experimentiert und produziert hatte, konnte Paul seine Erfahrungen und das Wissen um diese Aufnahmetechnik nun auf die Bandmaschine anwenden. Ein großer Pluspunkt für die Bandmaschine gegenüber den Wachsplatten ist die bessere Klangqualität und ein geringerer Signalverlust beim Overdubben. Um das Overdubbing mit Tonband zu ermöglichen, baute Paul in dem "Ampex 300" einen zusätzlichen Wiedergabekopf vor die vorhandenen Lösch-, Aufnahme- und Wiedergabeköpfe ein. Der zusätzliche Wiedergabekopf spielte zuvor Aufgenommenes in Pauls Kopfhörer, sodass man zu zuvor aufgenommenen Spuren weitere Spuren präzise aufnehmen konnte, was Overdubbing mit einer einzigen Tonbandmaschine ermöglichte. Um nun einen Echo Effekt zu erzeugen, musste Paul lediglich die Distanz zwischen Aufnahme- und Wiedergabekopf verändern. Die dadurch entstandene Laufzeitdifferenz wird als Verzögerung, als Delay hörbar. »We quickly realised that by moving the playback head forwards or backwards we could also change the delay – the whole neighbourhood could hear ›Hello ... hello ... hello ...‹«. Umso länger die Distanz zwischen den Tonköpfen, desto länger auch die Zeitverzögerung. Nicht selten wurden beim kreativen Experimentieren mit Tape Delays die Bänder quer durchs Studio geführt.
Der Einsatz Tape Delay durch Les Paul und Mary Ford markiert einen besonderen Wendepunkt in der Geschichte der produzierten Musik, da er einen weiteren Schritt zur Emanzipation von Räumlichkeit in der produzierten Musik beitragen konnte. Zudem eröffnete sich durch die Experimente Les Pauls ein Verständnis von Effekten und Aufnahmetechnologie als ein kompositorisches Mittel in der Musik- und Klangproduktion.
- Burgess, Richard James. The History of Music Production. Oxford u. New York: Oxford University Press 2014.
- Doyle, Peter. Echo and Reverb. Fabricating Space in Popular Music Recording, 1900-1960. Middletown: Wesleyan University Press 2005.
- Hodgson, Jay. Understanding Records. A Field Guide to Recording Practice. New York: Continuum 2019.
- Urban, Felix, Delay. Diabolisches Spiel mit den Zeitmaschinen. Baden Baden: Tectum 2020.