Analog Delay - Eimerketten-Delay
Eine weitere (semi-)analoge Form zur Erzeugung des Delay Effektes beruht auf sogenannten Eimerkettenspeichern (engl. bucket brigade devices). Der Name beschreibt das Prinzip: Wie bei einer Menschenkette, die sich bspw. Wassereimer zum Löschen eines Brandes weiterreicht, werden beim Bucket-Brigade-Delay, kurz BBD, elektrische Ladungen über miteinander verkettete Transistoren weitergereicht (s. Abbildung). Die elektrische Ladung entspricht einzelnen Anteilen des Audiosignals. Aufgrund der Verkettung mehrerer Transistoren, durch die die elektrische Ladung weitergegeben wird, entsteht die Verzögerung. Die Verzögerungszeit wird durch die Weitergabegeschwindigkeit und Länge der auf Transistortechnik beruhenden „Eimerkette“ bestimmt. Das Signal, welches die Transistoren-Kette durchläuft, wird aufgrund des begrenzten Frequenzbereichs der Transistoren stark gefiltert und durch das beim Weiterreichen der Ladung mehrfach durchgeführte elektrische Wandlungsverfahren verzerrt. Hierdurch entstehen unerwünschte Obertöne, die in den meisten Fällen durch eingebaute Filter am Signalausgang wieder herausgenommen werden.
F. Sangster und K. Teer von den Philips Research Laboratories gelten als die Erfinder des Eimerkettenspeichers. In den späten 1960er-Jahren arbeitete vor allem Sangster an analogen elektrischen Schaltungen, Elektroakustik, Medizintechnik und elektronsicher Klangerzeugung. Wie der Name schon sagt, geht es bei der Erfindung Sangsters und Teers im Kern um die Speicherung, Weitergabe und Bearbeitung von analogen Signalen und Daten. Zeitgleich zu den Philips Research Labs wurde auch an den AT&T Bell Labs an charge coupled devices (CCD) gearbeitet, die nach dem gleichen Prinzip wie die Eimerkettenspeicher zur Speicherung, Weitergabe und Verarbeitung von analogen Daten gedacht waren. CCDs haben sich vor allem in der Fototechnik durchgesetzt und ihre Erfinder Willard Boyle und George E. Smith 2009 nachträglich mit dem Nobelpreis für Physik versehen.
Trotz der relativ schlechten Audioqualität haben sich die Eimerkettenspeicher Anfang der 1970er in der Audiotechnik gegenüber den CCDs erst einmal durchgesetzt. Ab Mitte der 1970er-Jahre fanden sich bereits zahlreiche Hersteller, die mit der Eimerkettentechnik arbeiteten, experimentierten und zum Sound unterschiedlicher Musikformen beitrugen. Zudem ist es der kleinen Größe der Eimerkettenspeichertechnologie zu verdanken, dass Audioeffekte ab Anfang der 1970er-Jahre in Pedal-Form zumeist für die Gitarre angeboten werden konnten. Auch wenn die meisten Pedale unter starken Hochfrequenzverlusten litten, um dem bei der Speicherung und Verarbeitung entstehenden Rauschen durch extremes Filtern entgegenzuwirken, so konnten sich BBD-Effekte Anfang der 1970er-Jahre durchsetzen und nehmen eine Scharnierfunktion zwischen elektromagnetischer und digitaler Audiotechnik ein. Man könnte sogar die These formulieren, dass Eimerkettenspeicher maßgeblich den Erfolg der Firma Roland mitbegründeten. Eimerkettenspeicher finden sich in den ikonischen Geräten der Firma wie dem Gitarrenverstärker "JC-120", dem Gitarreneffektpedal Chorus "CE-1" und "CE-2" sowie dem analogen Delay "DM-2". Auch andere Gitarreneffektpedal Hersteller wie Electro-Harmonix verbauten Eimerkettenspeicher in ihrem legendären Delaypedal "Memory Man" und dem Phaser "Small Clone".
- Urban, Felix, Delay. Diabolisches Spiel mit den Zeitmaschinen. Baden Baden: Tectum 2020.